Beitrag zu Jukal, dem Alchemistenlehrling
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Von dem Alchemistenlehrling Jukal,
Gesammelt und aufgeschrieben von Philos,
Magier und Kämpfer des Curulum,
Zu Elteran
Elteran, meine Heimatstadt, ist eine Stadt der Tausend Menschen und Tausend Handwerke. Nicht nur Magier tummeln sich hier, sondern auch Kleiderhändler, Kräuterhexen, Winzer, Stabmacher, Juweliere und vieles, vieles mehr. Tatsächlich wage ich es, Elteran als die bei weitem größte Handelsstadt in der ganzen Umgebung anzupreisen, und ich scheue mich nicht, diese Behauptung auszusprechen.
Wo also so viele verschiedene Handwerke aufeinandertreffen, muss es auch Alchemisten geben; und wo es alte, eigenbrötlerische Alchemisten gibt, muss es auch deren Lehrlinge geben, denen sie meist brummelnd und mit wenig Freude ihr Wissen und ihre Fähigkeiten weitergeben, auf dass ihr Geschäft auch nach dem Tode bestehen bleibt. Einer unter ihnen, und wohl der bekannteste Alchemistenlehrling in ganz Elteran, wird Jukal genannt.
Auch ich hatte schon das zweifelhafte Vergnügen, mich mit Jukal zu unterhalten. Ein Jungspund ist er, und wie alle in seinem Alter von Eifer und Hast durchsetzt; keine ruhige Minute scheint er zu haben aus Furcht davor, eine seiner Alchemistenprüfungen nicht zu bestehen, und so sucht er regelmäßig – nun, eigentlich immer – die Hilfe von fähigen Magiern, die sich nicht zuletzt wegen ihrer Berufung und den großen Vorteilen eines gut geführten Tränkekoffers mit der Alchemie besonders gut auskennen. Und er löchert diese Magier mit Fragen und Fragen und noch mehr Fragen, bis sie ihm Antworten geben; und sind diese Antworten falsch, so kommt er gleich zurück gerannt und löchert die Magier noch mehr. Wahrlich, auch wenn seine ständige Fragerei manchmal die Nerven eines jeden fast zum Reißen bringen mögen, so mangelt es ihm keinesfalls an Hartnäckigkeit, um seine Ausbildung zu bestehen.
Was ich über Jukal abgesehen von seiner Ausbildung weiß, will ich nun in den folgenden Zeilen erläutern. Ich erzähle aus meinen eigenen Erinnerungen, und ich sprach mit vielen in seiner Nachbarschaft, obgleich nicht mit seinen Eltern, die bereits verstorben sind; möge Curulum ihnen ihren Platz in seinem Chaos zugewiesen haben.
Jukal war demnach schon als kleiner Knabe recht aufgeweckt und interessiert an allem, das Krach machte. Seine Eltern, Jarlek und Annika, besaßen einen gut sortierten Kräuterladen und verkauften ihre Ware an jeden, der sie benötigte; und wenn sie nicht aufpassten, stibitzte Jukal einige Kräuter, mahlte sie zu feinem Staub, warf alles zusammen mit jeglichen Säuren, derer er habhaft werden konnte, in eine Phiole, verkorkte sie und ließ sie durch die Luft segeln. Wenn die Phiole aufkam, waren die häufig vorkommenden Explosionen meist in der ganzen Stadt zu hören; und viele Leute prophezeiten, dass er einmal ein großer Alchemist werden würde, sollte er sich nicht vorher in einem seiner Experimente selbst in die Luft sprengen. Obgleich seine Eltern bemüht waren, ihm zuvorzukommen, so schien es Jukal doch jedes Mal zu bewerkstelligen, neue Zutaten für seine kleinen Bomben herbeizuschaffen, und nach jedem Knall hörte man das vergnügte und entzückte Lachen des kleinen Jungen.
Eines Nachts – und bis heute weiß niemand, wie es kam – wurden die Straßen Elterans von einem Knall durchrollt, so laut, als würden gleichzeitig unzählige Blitze in allen Ecken und Enden einschlagen; und Feuer brach aus, und ein guter Teil der Stadt wurde in arge Mitleidenschaft gezogen. Der Ursprung des Feuers war, wie viele schon vermutet hatten, das Haus von Jarlek und Annika; von beiden fehlte jede Spur. Lediglich Jukal lag vor dem Haus, von einer blutenden Wunde am Kopf und einem gebrochenen Arm abgesehen äußerlich völlig unversehrt. Das Haus selbst sah aus, als hätte eine Meute wilder Kentauren darin gewütet, so zerstört waren Möbel, Waren und Wände; und als der Morgen dämmerte, stürzte der Bau in sich zusammen, als wäre er seines Daseins überdrüssig, und begrub alles unter sich, was jemals zum Lösen des Rätsels hätte beitragen können.
Auch ich war in jener Nacht zugegen, und obwohl viele Stimmen brüllten, dass es ein weiteres Experiment von Jukal hatte sein müssen, zweifele ich daran, denn Jukal lag inmitten von Glasscherben, die von einem Fenster im oberen Stock des Hauses stammten. Der Knabe war zu diesem Zeitpunkt schon älter und aus seiner allzu unvorsichtigen Phase hinausgewachsen, und er hätte wohl nicht so unvorsichtig etwas Gefährliches durch den Raum geworfen, dass es ihn aus seinem eigenen Fenster hinausgeschleudert hätte.
Man erzählte mir später, dass Jukal sich nach seinem Erwachen an nichts mehr erinnern konnte; tatsächlich war ihm nur noch sein Name geläufig, und auch sein Drang und Wissenshunger zur Alchemie hatte nicht gelitten. Alles andere war wie aus seinem Kopf gestohlen, und nicht einmal das Zeigen der Ruinen seines ehemaligen Zuhauses konnte etwas daran ändern. Auch deshalb bleibt es ein Geheimnis, was in jener grausamen Nacht geschah.
Seltsamerweise schien sich Jukal nicht damit aufzuhalten, nach alten Erinnerungen zu suchen; stattdessen bewarb er sich umgehend bei jedem Alchemisten der Stadt, und tatsächlich fand sich einer, der alt und verrückt genug war, den Knaben bei sich aufzunehmen und ihm das Handwerk ordentlich beizubringen. Und so wurde Jukal zu dem heiteren, hastigen und eifrigen Jungen, den heute jeder in Elteran kennt und dem jeder mit einem gewissen Maß an Sorge und, wenn man die Geschichte kennt, Mitleid gegenüber tritt.
Das Wundersamste ist, dass, obgleich Jukal von dem grausamen Tod seiner Eltern erzählt wird, er nur immerzu lächelt und mit den Schultern zuckt, und manchmal erwidert: »Das war ein anderes Leben, und nicht das meine«, um sich dann zu entschuldigen und seiner Arbeit zuzuwenden. Und somit reiht sich der Alchemistenlehrling in die Zahl der Bürger Elterans ein, die geheimnisumwoben bleiben und damit vielleicht den Reiz dieser großen, seltsamen Stadt ausmachen.