Schülerin der Magie

Begonnen von Sheramisu, 27. April 2008, 22:13:08

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Sheramisu

Das Gras wogte sanft unter ihren Füßen, dämpfte ihre Schritte und gab ihr das Gefühl von Vertrautheit. Das beruhigte sie ein wenig. Genauso die Tatsache, dass wohl niemand ihre Ankunft hier mitbekommen hatte. Sarik hatte einen guten Ort gewählt, um sie in dieser Welt landen zu lassen. Sheramisu lächelte dankbar.  Es wäre wohl nicht das Beste, wenn sie hier gleich großes Aufsehen erregt hätte. Möglicherweise würde sie dann verhaftet und vielleicht getötet werden. Noch kannte sie die Geflogenheiten dieser Welt nicht, um sich unnötig in Gefahr zu begeben. Ja, eigentlich wusste sie überhaupt nichts von diesem Ort, außer, dass die hier etwas über Magie lernen sollte.
Magie... Die Frau verhielt den Schritt und strich sich unsicher eine Strähne ihres blonden Haares hinters Ohr, die ihr der Wind ins Gesicht geweht hatte. Wollte sie das überhaupt? Ihre Gedanken schweiften zurück in eine ferne Vergangenheit, zu einer Stadt, deren Mauern so schwarz waren wie die Seele ihrer Bewohner. Als sie ihnen entkommen war, endlich, nach all dem Blut, all den Morden, hatte sie geschworen, nie wieder Magie zu nutzen. Zumindest keine, die sie dort gelernt hatte in den Jahren, als sie ihm gehörte, ihrem Lehrer, der ihr die stärksten Zauber beibrachte und sein Bett mit ihr teilte, bis sie ihm hörig war und tat, was er von ihr verlangte. Und dann... Nein, sie wollte darüber nicht nachdenken. Reflexartig schlang sie die Arme um sich, als könnte sie sich so vor den bitteren Erinnerungen schützen. Obwohl die Sonne hoch am Himmel stand und es ein warmer Tag war, fröstelte sie.
'Denk nicht zurück', ermahnte sie sich und zwang sich, den Blick nach vorne zu richten und erneut einen Fuß vor den anderen setzend, vorwärts zu gehen. Doch das Gefühl der Vertrautheit war gewichen und hatte einem schwarzen Loch in ihrem Herzen Platz gemacht. Am liebsten wäre sie sogleich umgekehrt, hätte sich wieder mit sich selbst verbunden und versucht, ihr Leben so gut wie möglich weiterzuleben, möglichst ohne Magie. Das erste Mal seit Sarik das Ritual vollzogen und den uralten Zauber gesprochen hatte, von dem wohl nicht einmal er selbst genau wusste, was er bewirken würde, fühlte sich Sheramisu wirklich geteilt. Wenn sie daran dachte, konnte sie das Geschehene noch immer kaum selbst glauben. Sie war gespalten worden, hatte sich sozusagen verdoppelt. Ein Teil ihrer selbst blieb zurück in der neuen Heimat, dorthin, wohin der Zauber den sie und einige Vertraute ausgesprochen hatten, die Stadt und ihre Bewohner hin katapultiert hatte, während der zweite Teil nun hier war, in einer ebenso fremden neuen Welt. Sie hatte sich erst geweigert, sich auf dieses Experiment einzulassen, aber Sariks Argumente waren zu überzeugend.
"Shera, wenn du noch einmal einen solch mächtigen Zauber benutzt und ich kenne dich, du wirst ihn benutzen, wenn du damit deine Leute retten kannst, dann setzt du dein eigenes Leben aufs Spiel damit... und nicht nur deines." Er hatte sie eindringlich angeschaut mit seinen winzigen Augen, die ein wenig an die eines Maulwurfs erinnerten und fast genauso wenig sahen. Und Shera, fast zwei Köpfe größer als der alte Mann, war regelrecht in sich zusammengesunken. Ja, er hatte Recht. Natürlich würde sie jederzeit wieder einen derartigen Zauber sprechen, auch wenn sie durch ihr selbstauferlegtes Gelübde seit langer Zeit keine Übung mehr besaß. Und sie wusste nur zu gut um die Gefahren. Wenn sie an die Nachwirkungen des Teleportationszaubers dachte, schauderte sie immer noch. Außer Sarik wusste davon keiner etwas. Tagelange Kopfschmerzen, Schwindel und teils das Gefühl, jederzeit das Bewusstsein verlieren zu können. Und kein Heiler in der Nähe. Niemand, der ihr helfen konnte und ihre eigenen Fähigkeiten in dieser Hinsicht ließen sehr stark zu wünschen übrig.
Als der  alte Magier unerwartet bei ihr auftauchte, war Shera kurz vor dem Zusammenbruch. Wahrscheinlich hatte er ihr das Leben gerettet und sie war ihm auch sehr dankbar dafür. Doch dass er sie teilen musste.... Sicher hätte er ihr vieles auch selbst beibringen können.  Bestimmt sogar. Immerhin gehörte er als Lehrer zu einer der renommiertesten Magieschulen der alten Welt. Aber er wollte nicht. Stattdessen schlug er den Verdopplungszauber vor und erklärte ihr, dass sie hier, in dieser Welt viel eher etwas lernen könnte. Natürlich hatte sie ihn gefragt, wie denn der Teil von ihr, der zurückblieb, von ihren Erfahrungen hier würde profitieren können, aber Sarik hatte nur lächelnd abgewunken und gemeint, sie werde sehen. Und tatsächlich, sie sah zwar nicht, aber sie spürte deutlich, was ihre andere Hälfte gerade tat. Ein merkwürdiges Gefühl.
Genauso merkwürdig war der Verlust ihrer spitzen Ohren. Immer wieder prüfte sie nach, aber tatsächlich, die elfischen Spitzen waren verschwunden. Sie konnte nur vermuten, dass der Zauber, der sie hierher geschickt hatte, eine Formel beinhaltete, dass das Aussehen des Verwandelten an die Zielumgebung anpasste. Lang genug war er jedenfalls gewesen, doch hatte sie kein Wort verstanden. Die Sprache, in der er geschrieben war, war ihr unbekannt.  Nun gut, so würde sie wahrscheinlich wirklich weniger auffallen hier und konnte ihre Aufgabe leichter erfüllen.
Doch momentan wusste sie noch gar nicht, wo sie überhaupt beginnen sollte. Und hier war sie gänzlichst auf sich gestellt, während ihre andere Hälfte wenigstens noch einen Teil der alten Gefährten um sich wusste. Shera seufzte auf und blieb stehen, um sich kurz umzuschauen. In der Ferne gewahrte sie die Mauern einer Stadt. Zumindest sah es danach aus. Shera beschloss, darauf zuzuhalten und sich die Stadt oder was immer es sonst sein mochte, genauer anzuschauen. Und vielleicht konnte sie dort ein wenig darüber in Erfahrung bringen, wie man in dieser Welt lebte. Das wäre zumindest nicht unbedingt das Verkehrteste, das wusste sie aus langjähriger Erfahrung. Immerhin war es nicht das erste Mal, dass sie sich in einer neuen Umgebung zurechtfinden musste. Allerdings fiel dies in der Jugend leichter. Und sie war nun mal nicht mehr die jüngste. Aber was half es, sich darüber jetzt Gedanken zu machen? Der Rückweg war vorerst ausgeschlossen, also blieb nur, sich so weit als möglich hier einzuleben und sich den Geflogenheiten der Bewohner anzupassen.
Es dauerte noch eine Weile, bis sie die Stadt - es war tatsächlich eine und wie sie viel später erfuhr, hieß sie Elteran - erreichte. Freundlich lächelnd schritt sie an den Wachen vorbei, die sie ungehindert passieren ließen. Selbst ind en Straßen schien sie nicht weiter aufzufallen, jedenfalls bemerkte sie nichts dergleichen. Und, was sie besonders erstaunte war, dass sie die Sprache der Leute verstand. Was hatte Sarik da nur für einen Zauber verwendet? Irgendwann musste er es ihr erklären.
Jetzt aber musste sie sich hier erst einmal zurechtfinden. Als sie an einem gebäude vorbeikam, dass wie ein Gasthaus oder eine Taverne aussah, beschloss sie spontan hineinzugehen. Es gab, auch das hatte sie in ihrem Leben gelernt, kaum einen besseren Ort, um Informationen über einen neuen Ort zu bekommen, als eine Taverne. Innen war es gemütlich. An einer Tafel hingen diverse Jobangebote aus. Die Frau schaute sich alle gut an. Sie würde Gold brauchen oder womit auch immer man hier zahlte. Vielleicht konnte sie etwas verdienen. Kräuter schienen immer gebraucht zu werden. Was gab es besseres für eine Elfe wie sie, selbst wenn sie inzwischen nicht mehr wie eine aussah? Zwar kannte sie diversen Kräuter noch nicht, aber beim Verkauf würde sie ihren Wert sicher erfahren. Und vielleicht konnte sie auch einfache Arbeiten verrichten, um erst einmal eine Grundlage für das Leben hier zu schaffen. Irgendwie würde sie schon zurechtkommen. Sie war optimistisch. Bisher hatte sie es schließlich auch immer geschafft.

Der Chara existiert seit ca. 3 Jahren und verfügt über einen recht umfassenden Rollenspiel-Hintergrund. Obige Geschichte versucht nun sein Auftauchen in dieser Welt und das gleichzeitige Existieren in einer anderen zu erklären ;)